Rede von Kerstin Tack im Deutschen Bundestag am 05.04.2019

Quelle: Deutscher Bundestag

Das Video zur Rede finden Sie auch auf der entsprechenden Seite des


Wir brauchen einen Tarifvertrag in der Pflege und mehr Tarifbindung

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist gut, sich zu vergewissern, dass sich die Tarifbindung, die Stärkung derselben und die Sozialpartnerschaft in diesem Hause gut aufgehoben und unterstützt sehen. Es ist gut, dass es an der Stelle ein breites Bündnis gibt, das ein klares Bekenntnis zu einem starken sozialpartnerschaftlichen Deutschland abgibt. Das ist richtig.

(Beifall bei der SPD)

Nichtsdestotrotz treibt uns alle die Sorge um, dass wir gerade bei der Tarifbindung eine starke Abnahme zu verzeichnen haben. Die Gründe wurden bereits genannt: OT-Mitgliedschaften, Outsourcing oder beispielsweise eine christliche Gewerkschaft, wie bei Real, die das C im Namen nicht verdient. Wir müssen hier politisch gegensteuern. Es geht nicht nur um die Erleichterung von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen, um ein Bundestariftreuegesetz oder um ein Verbandsklagerecht – das hat heute noch keine Rolle gespielt –, sondern vor allem darum, dass wir unsere Erwartungshaltungen an die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in Deutschland formulieren, dass wir deutlich machen, dass wir die Sozialpartnerschaft für richtig und notwendig erachten und dass eine Gemeinschaft in der Krise nur durch eine gemeinschaftliche starke Sozialpartnerschaft getragen werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Die Krise von 2008/2009 wurde bereits angesprochen. Wir haben damals gemerkt: Ja, das können wir mit unserer starken Sozialpartnerschaft überwinden. Aber dazu gehört, Teil dieser Gemeinschaft zu sein, zu bleiben und sie nicht zu verlassen und im Krisenfall darauf zu hoffen, dass andere in Gemeinschaft Verantwortung übernehmen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir werden uns in Bezug auf einen Tarifvertrag und die Festschreibung der Allgemeinverbindlichkeit in den nächsten Wochen und Monaten einem Bereich widmen, der für ganz Deutschland besonders wichtig ist, und zwar dem großen Bereich der Pflege. Die Pflege in Deutschland, die aufgrund der Arbeitsbedingungen, weder bei der Entlohnung noch in Bezug auf die Rahmenbedingungen oder die Anzahl der Stellen, die zur Verfügung stehen, von allen als nicht auskömmlich definiert wird, hat eine ganz zentrale Schwäche, und das ist die nicht vorhandene Tarifbindung. Deshalb ist es gut und richtig, dass die Koalition gesagt hat: An dieser Stelle werden wir eine Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags definieren. – Wir freuen uns, dass wir in dieser notwendigen Geschichte weiterkommen und die gemeinnützigen Träger der Pflegeeinrichtungen in den nächsten Tagen einen Arbeitgeberverband gründen werden. Das ist gut und richtig. Es ist ein wichtiger erster Schritt, damit wir hier weiterkommen – hin zu einem Tarifvertrag, den wir für ganz Deutschland gültig erklären können, mit guten Löhnen, einer guten Refinanzierung und guten Rahmenbedingungen.

(Beifall bei der SPD)

Allerdings möchte ich die Gelegenheit auch nutzen, um anzusprechen, was aber die Schwierigkeit für die Allgemeinverbindlichkeit in der Pflege ist. Das sind die privaten Anbieter von Pflegeeinrichtungen, die sich bis heute nicht in hinreichender Art und Weise genauso auf den Weg machen, einen Tarifvertrag mitzuzeichnen, den wir dann für allgemeinverbindlich erklären können. Weil wir heute hier von den Kollegen der FDP gehört haben, dass sie das für richtig halten, möchte ich insbesondere an Sie appellieren; denn der Ihnen gut vertraute Herr Brüderle, der Präsident des Arbeitgeberverbandes der privaten Pflegeeinrichtungen ist, befindet sich nach wie vor in großer Blockade, uns auf diesem Weg zu unterstützen.

Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Tack, achten Sie bitte auf die Zeit.

Ich bin zum Schluss gekommen. – Daher möchte ich darum bitten, dass wir gemeinsam an dieser Stelle noch einmal einen deutlichen Appell setzen: Wir wollen einen guten Tarifvertrag Pflege, wir wollen, dass wir uns darin nicht nur einig sind, sondern dass wir ihn für allgemeinverbindlich erklären können, und wir wollen,

– Vizepräsidentin Petra Pau: Setzen Sie jetzt bitte einen Punkt.

– dass es keine Blockadehaltung, auch nicht der Privaten, in dieser Frage gibt. Das Thema ist zu wichtig. Danke schön.