Reden

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Festrede der Jugendpolitischen Sprecherin der SPD-Ratsfraktion Kerstin Tack Jugendfeier der Freien Humanisten Hannover Am 26. April 2009 in Hannover, Theater am Aegi

Liebe Jugendliche, Liebe Eltern, Geschwister, Großeltern und andere Familienangehörige, liebe weitere Gäste der Jugendfeier 2009,

es ist heute ein feierlicher Augenblick, wie er dem Anfang einer neuen Lebensetappe gebührt. Ich wünsche Euch, dass dieser Tag Euch in ganz besonderer Erinnerung bleibt. Denn es gibt Tage und Stunden, die man nie vergisst, die sich unterscheiden von anderen Tagen und sich aus dem Alltag ganz besonders hervorheben.

Eure Einschulung zum Beispiel, war sicher ein solcher Moment. Da seid ihr mit der großen bunten Tüte gelaufen, aufgeregt, begeistert, in die Schule zu kommen. Ihr ahntet, es würde eine neue Zeit für Euch beginnen. Und vielleicht habt ihr auch eine kleine Träne in den Augen Eurer Eltern bemerkt. Warum denn bloß? Habt ihr vielleicht gedacht. Weil Eltern und Verwandte damals besser als ihr wussten, was dieser Tag bedeutete: Abschied von der unbeschwerten Kleinkinderzeit, mehr Pflichten, der Beginn vom sog. „Ernst des Lebens“. Ähnlich, aber allen noch deutlicher, ist es heute. Mit diesem Tag tretet ihr in einen neuen Lebensabschnitt ein: in das Erwachsenenleben.

Das ist natürlich kein Wendepunkt - es ist die gleiche Wegstrecke - aber sie bringt vieles Neues für Euch: Mehr Verantwortung für das eigene Leben, Rechte aber auch Pflichten, Entscheidungen, Kompromisse, viele offene Fragen gilt es zu beantworten. Insbesondere die: Wie will ich mein Leben in der Zukunft gestalten?

Heute sind Eure Eltern und Verwandten mächtig Stolz auf Euch. Aber viele von ihnen werden sich fragen, sind nun die Tochter oder der Sohn mit 13 oder 14 Jahren bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen? Und Ihr werdet Euch fragen, werden Euch die Erwachsenen nun als ebenbürtig akzeptieren? Werden Fragen wie Wann kommst Du heute nach Hause? Wer war das denn eben am Telefon? oder Hast Du Deine Hausaufgaben erledigt? der Vergangenheit angehören?

Ich muss Euch enttäuschen. Bis es soweit sein wird, wird es für Euch, aber auch für Eure Familien vermutlich noch ein langer, steiniger aber auch spannender Weg. Wahrscheinlich werden noch viele Diskussionen, mal lauter, mal leiser, geführt werden, wird es viele Missverständnisse und Kopfschütteln auf beide Seiten geben, wird viel Stress und manchmal auch Verzweiflung aufkommen, bis Ihr gleichwertig mit allen erwachsenen Freiheiten und Pflichten Akzeptanz finden werdet.

Und ich sage Euch: Eure Eltern haben Recht, wenn Sie Euch auch jetzt noch mit Erziehung kommen: Denn zum Erwachsen sein, gehört eine ganze Menge dazu und manchmal trifft man ja auch auf Menschen, die zwar älter, aber dennoch alles andere als erwachsen sind. Menschen, die nicht gelernt haben, dass neben der Freiheit, allein für sich entscheiden zu können, auch die Verantwortung für andere, für unsere Gesellschaft, gehört.

Aber neben aller Ernsthaftigkeit ist die Jugend auch eine aufregende Zeit voller Entdeckungen und spannender neuer Erfahrungen.

Genau dies meinte der Schriftsteller George Bernard Shaw als er sagte: „Jugend ist eine wunderbare Sache. Wie schade, dass sie an die Kinder verschwendet wird.“

Habt also Nachsicht mit der älteren Generation, wenn sie auch heute nicht immer versteht, was Euch bewegt und was Eure Vorstellungen sind.

Ein römisches Sprichwort lautet: „Ein guter Mensch bleibt immer ein Anfänger“! Was mag damit gemeint sein? Vielleicht, dass man sich die Neugier, Phantasie und Freude, den Elan eines Anfangs bewahren soll. Oder auch, dass wir das Erwachsen werden um Himmels willen nicht so ernst nehmen sollen.

Ich halte es da lieber mit Erich Kästner, der sagte: „Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch“.

Liebe Jugendliche,

in meiner Jugendzeit galt der Spruch: „Trau keinem über 30!“ Damit war gemeint, dass eh niemand über 30 die Ansichten junger Menschen verstehen kann die dass diese Ü-30-Grufties sowieso völlig antiquiert sind.

Heute als 40-jährige wünsche ich mir häufiger, dass die jungen Menschen kritischer und manchmal auch rebellischer ihre Vorstellungen von unserer Gesellschaft vertreten sollten. So verändern sich die Blickwinkel.

Für mich war die Auseinandersetzungen mit den Erwachsenen damals der Grund, Mitglied in einem Jugendverband zu werden und wie Ihr, die Gesellschaft, ihre Normen und Werte, ihre Traditionen und Selbstverständlichkeiten kritisch zu diskutieren, vieles in Zweifel zu ziehen und mir danach meine eigene Meinung zu bilden.

Die Erwachsenen in meiner Jugendzeit haben unsere Forderungen oft nicht verstanden oder haben sie als unrealistisch abgetan. Es kostete viele Anstrengung und eine ordentliche Portion Mut, war aber auch mit einer Menge Spaß verbunden, die eigene Vorstellung von der Gesellschaft in einer Gemeinschaft zu entwickeln und zu vertreten.

Ihr habt in Euren Treffen bei den Jungen Humanisten gelernt, dass Engagement in Politik und Gesellschaft nicht etwas für andere ist. Ihr tragt selbst Verantwortung und deshalb könnt ihr auch was erreichen.

Ihr habt gelernt, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen und humanistische Werte, die auf Solidarität, Menschenwürde, Achtung und Toleranz beruhen, als Eure Lebenswerte zu begreifen. Ich kann Euch nur dringend bitten: Lebt diese Werte und tragt sie weiter.

Denn, liebe Junge Humanistinnen und Humanisten, unsere Gesellschaft funktioniert nur mit Teilhabe. Jeder Mensch muss sich fragen, was er nebenher auch für andere Menschen machen, für wen und was er Zeit investieren kann.

Freiheit, Selbstbestimmung, Gleichheit und Solidarität - diese Grundwerte mögen Euch durch das Leben begleiten. Es geht um Euch als Person, aber auch um die Gemeinschaft. Damit dies in Respekt und Frieden gelingt, wisst Ihr, braucht man Ehrlichkeit, Toleranz, gegenseitige Achtung und Verlässlichkeit. Habt den Mut, Euren Verstand und Eure Vernunft zu benutzen, um selbstbestimmt zu leben.

Ihr müsst Euer Leben selber anpacken: Einerseits eigene Pläne für die Zukunft entwickeln, andererseits dafür kämpfen, diese auch zu verwirklichen. Eure humanistische Verwurzelung und Absicherung wird Euch dabei helfen können.

Wenn ich von der Umsetzung von Zukunftsplänen rede, rede ich auch von meinem eigenen Lebensweg. Erst als ich volljährig wurde, konnte ich meine gewünschte Ausbildung zur Erzieherin absolvieren. Die erste Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notargehilfin war dem Wunsch meiner Eltern geschuldet, mich als Minderjährige nicht ins entfernte Hannover ziehen zu lassen. Auf meine Erzieherinnen-Ausbildung folgte ein Studium auf dem zweiten Bildungsweg - absichert mit BAföG. Meine Familie hätte mir mein Studium nicht finanzieren können, dazu reichte das Geld meines Vaters als Maurer und meiner Mutter als Hausfrau nicht aus.

Damit wäre ich bei einem wesentlichen Punkt, wenn ich über Jugend und Familie spreche: Unserem Sozialstaat. All die angesprochenen Freiheiten in der Jugend nutzen nichts ohne einen Staat, der Bildung und soziale Sicherung zur Verfügung stellt.

Der Staat ist in der Pflicht, ein kostenloses Bildungssystem bereit zu stellen. Ein Bildungssystem, das die Kinder und Jugendlichen im Blick hat. Bildung muss es jedem Menschen ermöglichen, Kraft der eigenen Talente und Fähigkeiten jede Position in unserer Gesellschaft zu erreichen. Und dies, ohne das dabei der Geldbeutel der Eltern eine Rolle spielt.

Aus meiner eigenen Biographie weiß ich zu gut, das hier noch viel zu tun ist.

Wer über Werte redet, kann über soziale Gerechtigkeit nicht schweigen! Die Kluft zwischen arm und reich in unserer Gesellschaft entwickelt sich weiter auseinander. In Deutschland stellt sich die Frage nach Gerechtigkeit mehr denn je. Längst haben nicht alle die gleichen Chancen auf Teilhabe in der Gesellschaft.

Diese ist auch deshalb umso wichtiger, ist doch die Zukunft derzeit keine Einfache für unsere jungen Leute und verbreitet sich doch eine große Verunsicherung. Die Wirtschaftskrise schafft Ängste und Unsicherheiten. Ihre Auswirkung auf die Zukunft insbesondere für junge Menschen ist noch nicht absehbar. Es stellen sich Fragen nach der Zukunft:

- Werde ich einen Ausbildungsplatz bekommen? - Gelingt mir der Übergang in das Berufsleben? - Werde ich ein Studium bezahlen können? - Kann ich mir eine Familie leisten? - Werde ich in Absicherung leben können?

Viele junge Menschen stellen sich die Frage: Was ist verlässlich, also, was bleibt? Auf einfache und eingängige Weise besingt dieses Unbehagen, das derzeit viele Menschen umtreibt, die Band Silbermond in ihrem aktuellen Song: Gib mir `n kleines bisschen Sicherheit, in einer Welt, in der nichts sicher scheint. Gib mir in dieser schweren Zeit irgendwas das bleibt. Gib mir einfach nur `n bisschen Halt, und wieg mich einfach nur in Sicherheit.

Irgendwas bleibt, heißt der Song. Aber was bleibt denn nun? Das Haus? Das Auto? Das neue Handy? Das alles ist vergänglich. Was bleibt sind andere Dinge: Gemeinschaft, Solidarität und Mitmenschlichkeit: All das sind Werte, die nicht bezahlbar sind. Sie sind unbezahlbar und genau deshalb das, was eigentlich zählt im Leben.

Solidarität und Mitmenschlichkeit, Toleranz und gegenseitige Achtung sind auch die Werte, die das Leben der Menschen miteinander ausmachen.

Ihr wisst, das Wichtigste im Leben ist der Umgang mit Menschen. Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Frieden und Zukunft. Das Einzige, was uns von Menschen mit einer anderen Kultur, Hautfarbe, Weltanschauung oder Haarfarbe trennt, sind Vorurteile.

Insbesondere die Vorurteile gegen Menschen anderer Kulturen sind derzeit oft zu beobachten.

Deshalb gilt der engagierte und deutliche gewaltfreie Kampf gegen das Erstarken rechter Gruppen in unserer Gesellschaft auch als besondere Aufgabe. Wir hier im Saal wissen, dass uns die Geschichte lehrt, den Rechten keinen Raum zu geben. Wir sind durch und durch demokratisch und werden unsere soziale Gemeinschaft nicht durch die völlig inakzeptablen Rufe rechter Gruppen gefährden lassen.

Wer eine auf Toleranz und Selbstbestimmung angelegte Gesellschaft will, der muss sie nicht nur für sich leben, sondern sie auch als schützenswerte Gesellschaftsform öffentlich verteidigen, wenn dies erforderlich wird.

Der Zulauf gerade von jungen Menschen zu rechten Gruppen in den letzten Jahren treibt uns alle mit Sorge um. Es wird in Zukunft immer wichtiger sein, die jungen Menschen aufzuklären, unsere Geschichte nicht in Vergessenheit zu bringen und keiner Diskussion aus dem Weg zu gehen.

Gerade die Jugendverbände leisten hier einen wertvollen Beitrag, dass habt Ihr ja sicher auch erlebt. Ihr, die Ihr im Jugendverband miteinander politische Bildung erfahren habt, wisst, wie sehr das Arbeiten in einer Gruppe verbunden mit Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl Spaß macht.

Liebe Jugendliche,

der heutige Tag ist für Euch alle, aber auch für jeden einzelnen von Euch ein besonderes Ereignis. Jeder von Euch hat eine eigene Persönlichkeit, hat eigene Talente, Neigungen und Vorlieben, strebt eigene Ziele an, sucht seinen Weg und ist darauf aus, seinen Platz in unserer Gesellschaft zu finden.

An erster Stelle steht das Vertrauen zu sich selbst und den eigenen Leistungen. Erst dann, als selbstbewusster Mensch, ist man in der Lage, auch Positives weiterzugeben und wirkliches Vertrauen zu Mitmenschen aufzubauen.

Die Suche nach dem eigenen Weg kann Euch niemand abnehmen. Bleibt Euren Wünschen treu. Berücksichtigt das Wissen der Älteren - aber tut das, was ihr tun möchtet. Eure eigene Einstellung zu den Dingen zählt! „Das Glück besteht nicht darin, dass du tun kannst, was du willst, sondern darin, dass du auch immer willst, was du tust“, so lehrt uns Tolstoi.

Liebe Jugendliche,

wir brauchen Euren Ideenreichtum, Eure Kreativität, Euren Mut. Engagiert Euch und bewahrt Euch einen gesunden Eigensinn. Es geht um Eure persönliche Zukunft, es ist Euer Recht, sie selbständig zu gestalten.

In unserer Gesellschaft geschieht nichts, was Menschen nicht zulassen, dass es passiert. Nehmt dabei stets Eure Ziele ernst.

Ich wünsche Euch heute eine schöne Jugendfeier, an die Ihr lange und gern zurückdenkt!